Digitale Transformation im B2B-Sektor
Herr Johow, Sie hatten als Geschäftsführer in etlichen mittelständischen Unternehmen Verantwortung für Vertrieb und Marketing. Welche Erfahrungen haben Sie mit der digitalen Transformation im B2B-Sektor gemacht?
Die Bedeutung digitaler Plattformen für mittelständische Unternehmen nimmt weiter zu, wie schon 2019 verstärkt zu beobachten war. Vor allem der B2B-Bereich muss im Vergleich zum Endkundenbereich weiter aufholen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und den Produktionsstandort Deutschland zu erhalten.
Unternehmen im B2B-Geschäft reizen die Möglichkeiten der Digitalisierung bislang meist noch nicht aus – da ist B2C schon lange und deutlich weiter. Vor allem Handelsplattformen sind hier längst Normalität, mit integriertem Service und meist sehr kundenorientiert.
Besondere Situationen, wie in diesem Jahr durch Corona bedingt, haben die Verbreitung der Plattformen natürlich zusätzlich beschleunigt. Aber auch ohne Corona zeigt B2C, wie sich das Kundenverhalten allein durch das Vorhandensein digitaler Plattformen ändert. Der Bedarf folgte hier zuerst dem Angebot – nun folgen die Angebote der steigenden Nachfrage.
Das wird sich auch für B2B durchsetzen, weil die Kunden immer höhere Erwartungen an Produkte, Lieferkette und Service haben.
Sehen Sie die Nutzung digitaler Plattformen für Mittelständler eher als Vorteil oder als Bedrohung?
Ich sehe sie als Vorteil, aber am Markt gibt es beide Ansichten. Denn die digitale Transformation stellt bisherige Unternehmensstrukturen auf den Kopf, sie verändert sämtliche Prozesse von Grund auf. Das erfordert kolossales Umdenken auf ganzer Linie und stellt oft die vorhandenen Geschäftsmodelle auf den Prüfstand.
Ebenso wie die Umstellung der Produktion auf additive Fertigungsverfahren sind digitale Plattformen für die übrigen Bereiche der Wertschöpfungskette eine Revolution in der Industrie. Das ist natürlich eine Herausforderung und nicht mal eben so leicht zu überblicken.
Ich bin jedoch davon überzeugt, dass die durchgängige Nutzung digitaler Plattformen eine Chance ist – für die Konsolidierung eines Unternehmens und für Wachstum mit Augenmaß.
Auf welche Weise können Unternehmen vom Einsatz digitaler Plattformen profitieren?
Der Markt und der Zugang der Hersteller zu ihren Märkten verändern sich. Außerdem erwarten die Kunden zunehmend maßgeschneiderte Lösungen und Produkte und ihr Anspruch an Flexibilität und Geschwindigkeit steigt.
Diesen Anforderungen sind Unternehmen mit durchgängig digitalisierten Prozessen eher gewachsen und können sich besser auf Innovationen konzentrieren. Sie sind in der Lage, sich schnell und kosteneffizient an neue Technologien und Arbeitsweisen anzupassen.
Wichtige Wettbewerbsvorteile und Zukunfts-Chancen entstehen bei der Digitalisierung durch die Überwindung von Schnittstellen, sowohl interner als auch externer. Vereinzelte, auch bereichsübergreifende Plattformen werden bereits in vielen Unternehmen genutzt. Die Aufgabe besteht künftig vor allem darin, durchgängige Lösungen zu schaffen.
Können kleine und mittlere Unternehmen den Aufbau einer Plattform überhaupt stemmen?
Nicht jedes Unternehmen muss eigene Plattformen entwickeln und implementieren. Es hat sich ein Markt von Anbietern digitaler Plattformen unterschiedlichster Ausprägung herausgebildet. Entweder nutzt man die Plattform eines solchen Anbieters als Dienstleistung – das sogenannte „as a Service“-Modell. So kann man mit weniger Aufwand schneller eine Effizienzsteigerung und Umsatzwachstum erzielen.
Ebenso wächst aber in Zukunft auch das Angebot an Bausteinen und Standardplattformen. Auf deren Basis können Unternehmen eigene, passende Plattform aufbauen und betreiben – mit geringerem und gut planbarem Aufwand.
Diese beiden Formen der Plattformnutzung werden sicher die Mehrzahl der Fälle ausmachen, zumindest unter den kleinen und mittleren Unternehmen. Lediglich in stark spezialisierten Geschäftsfeldern sind eigene Lösungen erforderlich.